Lichtwechsel — Reaching Suomi 2009
Gruppe77Reisekunstprojekt der Gruppe77 – Beteiligung: Aurelia Meinhart, Luise Kloos, Erika Lojen, Ingeborg Pock
Projektbeschreibung: Der Weg, das Gewohnte hinter sich lassen.
Ausgangspunkt für meine Überlegungen waren die Fotoarbeiten meines Vaters, die er im Krieg gemacht hatte. Sein Weg führte ihn in den Norden. Er war im 2. Weltkrieg als Gebirgsjäger in der 3. Gebirgs-Division in Norwegen, Finnland und im Raum Leningrad eingesetzt, wobei er mit seiner Kleinbildkamera Eindrücke festhielt. Schon als kleines Mädchen haben mich diese Fotos ungemein fasziniert. Für mich stellte sich immer die Frage, was seine Motivation war, mitten im Kriegsgeschehen zu fotografieren. Als junger Soldat wollte er vermutlich diese Stimmungen des Nordens, das Licht, seinen Lieben zu Hause zeigen.
Ein Foto aus dieser Sammlung habe ich ausgewählt; es zeigt eine Landschaft in Mittelfinnland mit drei Flugzeugen. Eine Junker 52, eine Stucker und vermutlich Heinkel He 70, auch Blitz genannt. Die Aufnahme dürfte Anfang April 1942 entstanden sein.
Das Foto habe ich als Grundlage für meine Siebdruckarbeit verwendet. „LIEBE MUTTER“ war Teil eines Briefes meines Vaters an seine Mutter, welchen ich hineinmontiert habe.
Das Foto wurde in einer Auflage von 1000 Stück auf einem dünnen Seidentuch 28×28cm gedruckt.
Reflections on a journey
If you are going on a journey, it is a good idea to take along some supplies. After all, you are going to foreign parts, and you do not know what it feels like. My supplies were art, the “Blue Bubble”, something light, waterproof, loose, warm, critical. Our journey took us to the North, to Finland – Turku.
The path was long; the preparations lasted two years, starting with a journey through the Baltic countries to Turku, a journey that for me became a quest to find traces of the past – my father was in Norway and Finland during the war – and an attempt at reflection.
This path was marked by uncertainty and fears, exciting encounters and experiences, curiosity and great expectations.
The path took us back to Turku for a second time for the exhibition. Having arrived in a large house, the university building, we were allowed to extend our presentation to four storeys. An arrival it was, but does art ever arrive?
The journey continued at our destination: the effort of getting everything set up, accompanied by interesting discussions with the students, fellow artists, and visitors, and the impressions of the cold all around sent us off again on a journey, a journey in our minds. Art arrives when something starts to vibrate and embarks on a journey of its own – based on discussions, one’s own feelings, and the reactions you get. People got involved in what was going on and showed an interest in our path.
The Blue Bubble installation, that got bigger and bigger and began to vibrate against the backdrop of the Northern sky, was a special experience for me – I saw the concept of an inflatable art space come to life.
Back in Graz – another arrival, a destination reached, we come full circle, but the journey in our minds goes on.
Lichtwechsel Webseite
Projekt Lichtwechsel der Gruppe77
Text: Aurelia Meinhart
Aus dem Krieg kommen wenige.
Bezugnehmend auf Aurelia Meinharts Arbeit verfasst Michael Lehofer folgenden Text.
Aus dem Krieg kommen wenige. Die einen, die im Krieg geblieben sind, sind gefallen, die anderen sind dazu verdammt, immer daran zu denken, darüber zu sprechen, darüber zu träumen. Manche, die im Krieg geblieben sind und überlebt haben, schweigen darüber. Sie schweigen über sich, im Kriegsgeschehen sind sie sich und den anderen für immer verborgen geblieben.
Viele von denen, die den Krieg überlebt haben, beschreiben den Krieg als die letzte Zeit in ihrem Leben, in der sie noch am Leben waren. Es ist nicht leicht zu leben, und das meiste von einem ist schon tot.
Manche hängen am Leben, weil sie die Hoffnung nicht aufgegeben haben, ihr eigenes Leben würde aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehren. Sie glauben an Wunder. Wir wissen alle, wie oft Wunder passieren.
Die Kriegsbriefe an die Frauen und Mütter sind tapfere Briefe. Die Kriegsberichterstattung des Herzens ist anders als alles, was wir sonst kennen. Die Hoffnungslosen trösten, die Ängstlichen ermutigen, die Verwundeten verarzten. Da zeigt sich: Es steht uns nur eine Möglichkeit offen, nämlich die, in der Hinwendung heil zu werden.
Lebensgefahr und Todesangst sind Lebensgefährten, die man nicht mehr los wird. Man kann sie nicht abschütteln. Man kann sie übertünchen. Aber nach dem nächsten Regen ist alles abgewaschen, und man sieht sie wieder, glasklar und bedrohlich. Man kann sie übertünchen mit Alkohol, Arbeit, Ideologien, Verbrüderungen. Nichts hilft, was helfen sollte.
Schließlich ist die innere Starre nicht zu übersehen. Ein Leben zu leben mit einem lebendigen Körper und mit einer Psyche, die totenstarr ist, das zerreißt einen fast. Da genügt nicht viel und man holt nach, was man im Krieg vermeiden konnte.
Die anderen verstehen nichts, die Einsamkeit ist unerträglich. Nur bei den Kameraden gibt es ein stilles Einverständnis, das Bewusstsein des gemeinsamen Geheimnisses. Die Totenfeier des eigenen Lebens ist der Rest des Lebens, der noch geblieben ist, eine Verheißung des Vergangenen.
Text: Michael Lehofer
Aus dem Krieg kommen nur wenige.
Few return form war.
Michael Lehofer writes the following text in reference to Aurelia Meinhart’s project.
Few return from war. Some die, others are damned to always think, talk and dream of it. Some of the survivors remain silent. They are silent and remain forever concealed from themselves and from others.
Many who returned from war alive describe the war as the last time in their lives when they were actually alive. It is not easy to live when so many parts inside are already dead.
Some cling to life because they don’t want to give up hope that their own lives will return from the war prisons. They believe in miracles. We all know how often miracles happen.
The war letters to wives and mothers are brave letters. Combat journalism of the heart is different from anything we know. The hopeless console, the fearful encourage, the injured give first aid. This shows: there is only one way for us to get healed. It is to face the situation and not look away.
Mortal danger and fear of death are constant companions that you can’t leave behind. You can’t get rid of them. You can gild them, but after the next rain everything is washed off and you can see them again, crystal clear and threatening. You can try to chase them away with alcohol, work, ideologies, brotherhoods, but in the end nothing helps that should.
In the end the inner stiffness becomes apparent. To live life in a living body but with a dead stiff soul tears one apart. It doesn’t take much and you make up for what you could avoid during the war.
The others don’t understand anything, which makes the loneliness even more acute. Only with old comrades you have a silent agreement, a consciousness of the common secret. The rest of your life is a funeral and a promise from the past.
Few return from war.
Text: Michael Lehofer